Diesen Denktext hat Anton Schünemann (Jahrgang 2004 und engagiertes Mitglied unserer Gemeinde St. Josef) 2023 in der Abschlussklasse seines Berufskollegs verfasst.
Die Zahl der Kirchenaustritte ist auf Rekordhöhe: In den letzten 20 Jahren hat die katholische Kirche mehr als 15% Gläubige verloren. Ein wesentlicher Grund sind wahrscheinlich der Missbrauch und die Finanzskandale. Deshalb steht die katholische Kirche vor einer großen Herausforderung.
Ich bin katholisch erzogen worden und bin immer noch in der Kirche engagiert. Aber durch die Skandale der letzten Jahre beschäftige ich mich immer mehr mit der Frage, ob man der katholischen Kirche noch treu sein sollte. Es gibt viele Pro-Argumente für, aber auch Contra-Argumente gegen den Austritt aus der Kirche: zum Beispiel die veralteten Ansichten aus dem Vatikan oder dass die Gottesdienste eher die ältere Generation ansprechen.
Damit sind wir schon bei dem nächsten Thema: Zölibat. Was ist das eigentlich? Zölibat ist das Versprechen im Christentum, ein Leben lang ehelos zu leben. Der ursprüngliche Gedanke dahinter ist, dass ein Priester nur seinen Gott liebt, nicht eine Ehefrau. Dadurch sollten sie sich viel besser auf ihre Gemeinde konzentrieren und nicht auf ihre Familien. Aber dadurch wird ein Mensch sehr ein – sam, was zwar keineswegs solche Taten rechtfertigt, aber es wäre zumindest ein Schritt, den der Vatikan für seine Priester tun könnte. Denn der Pastor ist immer für die Seelsorge seiner Gemeinde da, aber keiner ist für ihn da, denn er hat keine richtige Familie, in der er anderen Dinge anvertrauen kann, außer vielleicht seinen Eltern. Hier sind wir schon bei einem weiteren Problem der katholischen Kirche, denn keiner will mehr Pastor werden. Das ist auch kein Wunder bei solch einem Image. Denn der Beruf des Priesters ist sehr veraltet. Er darf keine Familie gründen und hat ziemlich schwierige Arbeitszeiten, da er besonders am Wochenende arbeiten muss. Außerdem dürfen nur Männer Priester werden und keine Frauen. Dabei kenne ich viele Frauen, die Priesterinnen werden wollen, aber sie dürfen halt nicht, da die katholische Kirche dies nicht vorsieht – was nicht mehr zu unserem heutigen Weltbild passt.
Überall in Deutschland sind Frauen in die Gesellschaft integriert. Nur in der Kirche haben sie noch nicht alle Rechte, obwohl es einen akuten Priestermangel gibt. Das merke ich schon in unserer Gemeinde. Denn immer mehr Gemeinden werden zusammengelegt. Ich kann mich noch dran erinnern, dass wir nur eine Gemeinde hatten, aber jetzt sind wir schon sechs und es sollen immer mehr dazu kommen, da es keine Priester mehr gibt. So langsam wird die Kirche zu einer riesengroßen „Firma“. Ich kenne nicht mehr alle. die zu meiner Gemeinde gehören. Dadurch muss der Priester nur noch verwalten und kennt nicht mehr alle Gemeindemitglieder. So geht auch das private Umfeld verloren. Früher war es so, dass vielleicht ein Pastor ca. 500 Gemeindemitglieder hatte, und heute sind es schon im Schnitt mehrere Tausend.
Aber auch die Zahl der Kirchgänger nimmt immer mehr ab. Es ist meist nur noch die ältere Generation anwesend. Die junge Generation in meinem Alter ist gar nicht mehr da. In einer der letzten Sonntagsgottesdienste waren schätzungsweise dreißig Personen anwesend, und zwar nur ältere. Hieran kann man sehen, dass die Kirche „verfällt“
Ein weiterer Punkt ist, dass die Priester in ihren Predigten immer über Nächstenliebe predigen, dass aber die Kirche meiner Meinung nach nichts dafür unternimmt. Es gibt zwar immer Aktionen in der Kirche, die zum Spenden aufrufen, beispielsweise die Sternsinger- Aktion. Gegen solch ein Helfen ist nichts einzuwenden. Aber die katholische Kirche besitzt (Stand 2013) ca. 270 Mrd. Euro weltweit. Und dieses Geld kommt von den Gläubigen.
Bei diesen vielen Skandalen der Kirche stelle ich mir die Frage wie bereits am Anfang meines Textes: Sollte ich noch in der katholischen Kirche bleiben oder nicht? Dazu müsste man sich fragen: Was ist eigentlich die Kirche für mich? Die Kirche ist für mich ein Ort der Gemeinschaft, wie z. B. die Landjugend oder die Messdiener, mit denen man ins Lager fahren oder andere Aktivitäten unternehmen kann. Die Kirche ist eine riesige Institution, die z. B. auch Krankenhäuser oder Schulen besitzt. Sie ist nicht, wie manche denken, einfach nur der Gottesdienst, in dem man eine Stunde sitzt, einem alten Mann zuhört und alte Lieder singt. Natürlich verstehe ich die Menschen, die aus der Kirche austreten möchten. Denn der Glaube ist nicht die Kirche. Wenn man an Jesus Christus glaubt, muss man nicht in der Kirche angemeldet sein. Darum finde ich, dass jeder selbst entscheiden muss, ob er noch in der Kirche „angemeldet“ sein möchte oder nicht. Ich selbst möchte noch Katholik sein, denn bei der katholischen Kirche zahlt man nicht, wie viele Menschen denken, nur ein. Man bekommt auch eine Menge zurück.
Messdienerwochenende St. Marien und St. Josef 2023